Lachen auf dem Stundenplan - Zu Besuch in Deutschlands erster Clownsschule in Hannover
Im November hatten wir in der Clownschule Besuch von einem Redakteur der NOZ. Er hat uns im Unterricht beobachtet, mit unseren Lehrern Interviews geführt und nun einen Artikel für die NOZ geschrieben.




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In der Clownsschule werden Begrüßungsszenen gespielt. Foto: Helge Holz

Hannover. In der Akademie „Tut – Schule für Tanz, Clown & Theater“ in Hannover können sich Interessierte zum Clown ausbilden lassen. Zu Besuch in einer Schule, in der Lachen auf dem Stundenplan steht.

Streng sind die Vorschriften für die Frauen und Männer schon, die in diesen Räumen ihr Handwerk erlernen wollen. Die Berufskleidung ist in jedem Fall obligatorisch. Allerdings dient sie weniger als Schutz, sondern ist vielmehr eine zweite Haut, in die jeder hineinschlüpfen muss. Ob es nationale wie internationale Normen gibt, die genau vorschreiben, wie eine derartige Bekleidung auszusehen hat? Möglich, gänzlich auszuschließen ist es nicht. Doch auch ohne derartige bürokratische Vorgaben sind die Träger und ihre Funktion eindeutig identifizierbar, und zwar rund um den Globus. Über alle Grenzen hinweg gibt es einen gemeinsamen Nenner: Wer eine rote Nase aufgesetzt hat, gilt als Clown – Punkt! Doch die knubbelige Nase allein macht noch keinen professionellen Spaßmacher. Wie in allen anderen Berufen auch, weist erst die Ausbildung den echten Profi aus. „Darauf legen wir Wert“, betont Dieter Bartel, einer der Gründungsväter der Clownsschule in Hannover, und ergänzt „wir sehen uns als Handwerksberuf“. Dementsprechend schließen die Frauen und Männer hier ihre Ausbildung mit einem Gesellenstück ab.

Vor 25 Jahren angefangen

„Dabei ist die Idee zu einer Clownsschule nicht von uns gekommen“, verrät Dieter Bartels. Anfang der 1990er-Jahre waren es Schüler ihrer Akademie „Tut – Schule für Tanz, Clown & Theater“, erinnert sich der Hannoveraner. Die angehenden Darsteller hatten das Bedürfnis, sich intensiver mit der Materie zu beschäftigen und vor Ort eine richtige Ausbildung zum Clown zu machen. So nahm er gemeinsam mit seinen beiden Mitstreitern Corinna von Kietzell und Ralf Höhne den Gedanken auf, und das Trio erweiterte das Portfolio ihrer Tanz- und Theaterschule „Tut“ eben um die Sparte „Clownerie und Komik“. Das war 1991. Mit Herzklopfen starteten die drei ihr Schulprojekt und betraten damit gleichzeitig Neuland: Die erste Clownsschule in Deutschland hatte ihren Betrieb aufgenommen. Ein mulmiges Gefühl hatten die drei Schulleiter damals schon. Ob sich wohl genügend Interessenten melden würden? Und sie meldeten sich. Die Schule konnte durchstarten und hat sich längst einen Namen gemacht. Seit einem Vierteljahrhundert haben mehr als 250 Schüler und Schülerinnen aus Deutschland und den europäischen Nachbarländern hier an der Kornstraße die Schulbank gedrückt. Damit dürfte Hannover inzwischen den Titel „Hauptstadt aller Clowns“ erarbeitet haben. Doch ihren Status der Einmaligkeit haben die Niedersachsen mittlerweile verloren. Heute gibt es noch zwei weitere Clownsschulen in der Bundesrepublik. Jedoch liegen dort die Schwerpunkte anders. Mal sind es Jongleure und Akrobaten, mal sind es die Klinik-Clowns, die tief im Süden der Republik ausgebildet werden. Hier im Norden steht jedoch die Pädagogik im Fokus der Ausbildung. Schließlich verfügen die drei Schulleiter neben ihrer schauspielerischen Ausbildung über fundierte Erfahrungen im pädagogischen Bereich.

Clownslehre über zweieinhalb Jahre

Zunächst favorisierte das Trio eine kompakte Ausbildung, die innerhalb eines kompletten Jahres absolviert werden konnte. Doch heute steht eine berufsbegleitende Clownslehre im Vordergrund, die sich über zweieinhalb Jahre erstreckt und an die sich eine einjährige Vorbereitungsphase auf die Prüfung anschließt. Die Vorteile liegen auf der Hand, meint Dieter Bartels: „Die Schüler haben einfach mehr Zeit, ihre Charaktere reifen zu lassen.“ Diesen Reifungsprozess durchliefen Corinna von Kietzell, Ralf Höhne und Dieter Bartels ebenso. Anfangs spielten eher betriebswirtschaftliche Gründe eine Rolle, als sie die staatliche Anerkennung ihrer Schule beantragten. Doch mittlerweile ist es für sie ein wichtiges Gütesiegel, dem regulären Bildungssystem anzugehören. Als gleichberechtigte Direktoren ihrer Clownsschule ergänzen sich die drei auch beim praktischen Unterrichten.

Unterstützung finden sich zusätzlich bei nationalen wie internationalen Bühnenprofis, die als Gastdozenten ihr Wissen weitergeben wollen. Einige von ihnen nehmen sogar weite Anreisewege aus Indien, USA oder Frankreich in Kauf, um hier in der niedersächsischen Landeshauptstadt den Nachwuchs zu unterrichten.

Echte Bühnenluft schnuppern die Schüler bereits wenige Wochen nach ihrem Schulstart. In wenigen Tagen wird es auch für die Klasse von Corinna von Kietzell so weit sein. Dann wird die Clownsschule zu einer Werkschau in ihre Räumlichkeiten einladen.



Unterricht bei Corinna von Kietzell

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Die Körpersprache soll gleich im Mittelpunkt stehen. Gerade startet die Aufwärmphase: Gut ein Dutzend Männer und Frauen müssen nun durch das Klassenzimmer flanieren, stehen bleiben und Statur zeigen, müssen den Raum füllen. Mit Begrüßungsritualen geht es weiter, mal fröhlich, freundlich, mal verschämt, schüchtern. Corinna von Kietzell achtet dabei auf jedes Detail, gibt den Darstellern leise kleine Regieanweisungen. Bereits jetzt ziehen die Akteure alle Register ihres Könnens und beeindrucken ihr Publikum allein mit Gesten und Mimik. Wenige Momente später verwandelt sich der Klassenraum in ein Theater. Eine Grenze aus Besenstielen trennt die Protagonisten räumlich von den Zuschauern. Das hat auch symbolischen Charakter: Wer diese Linie überschreitet, muss seine rote Nase aufsetzen und verwandelt sich so vom Konsumenten in einen Handlungsreisenden in Sachen Komik. Die Clownslehrerin gibt die Aufgaben vor: sich spontan vor das Publikum stellen und den Zuschauern einen einzigen „Ton“ schenken. An Lampenfieber ist in diesem Moment nicht zu denken, dafür fehlt es an Zeit. Einer nach dem anderen geht auf die Bühne. Trotz dieser an sich minimalistischen Aufgabe ist die Bandbreite an spielerischen Möglichkeiten breit gefächert. Kreative Überraschungen sind programmiert. Dementsprechend kräftig applaudieren die Mitschüler ihrem Gegenüber und freuen sich, wie die Aufgabe gelöst worden ist. Um die Arbeit ein bisschen schwieriger zu gestalten, gilt es als Duo auf der improvisierten Bühne aufzutreten. Insgeheim haben alle auf diese neue Aufgabe gewartet. Im Duett laufen sie regelrecht zur Höchstform auf. Vor und auf der Bühne macht es ihnen sichtbar Spaß, den Anweisungen nachzukommen.

Prüfung durch die Landesschulbehörde

Neben den praktischen Elementen gilt es ebenso, den theoretischen Teil nicht zu vernachlässigen. Hier stehen neben Dramaturgie Make-up und Regie auf dem Lehrplan. Auch das Stück muss selbst erarbeitet werden. Und genau das macht das Clowns-Spiel überhaupt aus, meint Dieter Bartels: „In einer Person werden alle Funktionen und Aufgaben vereint, für die sonst ein komplettes Theater notwendig ist.“

All das kommt am Ende in der Abschlussprüfung zur Anwendung. Neben dem Gesellenstück müssen sich die Absolventen auch einem offiziellen Prüfungsausschuss der Landesschulbehörde stellen und ihr erlerntes Wissen präsentieren.

Gibt es bei den Clowns Unterschiede zwischen Männern und Frauen? „Vom Prinzip her nicht“, berichtet Dieter Bartels, „obwohl“, unterbricht er sich, „Männer haben weniger Schwierigkeiten, sich für ihr Bühnen-Ego ‚hässlich‘ zu machen als Frauen, dafür verstehen sich Frauen besser auf leise Töne.“

Zur Sache

Informationen zur Ausbildung und zu den Workshops: TuT – Schule für Tanz, Clown & Theaterschule. Träger: Internationaler Arbeitskreis für Kunst & Kultur e.V. Kornstr. 31, 30167 Hannover. Tel. 0511/320680, http://www.das-tut.de, mail: info@das-tut.de

Bild von Helge Holz
Artikel von Helge Holz
Link zum OriginalArtikel http://www.noz.de/deutschland-welt/vermischtes/artikel/658902/zu-besuch-in-deutschlands-erster-clownsschule-in-hannover#gallery&0&0&658902