Jahresrückblicke 2016-2018 Teil 3
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Über den Jahreswechsel 2017/2018 hatte ich Urlaub und diesen verbrachte ich zu einem großen Teil mit der Überlegung, ob ich im Januar zurück nach Magdeburg gehe oder den Aufhebungsvertrag annehme.
Ich entschied mich für Magdeburg, für das Theater, für die Kollegen und für die Schwierigkeiten denn ich fühlte, dass ich auf dem richtigen Weg bin und wollte zumindest diese Spielzeit zu Ende bringen und mir dann ggf. für 2018/2019 einen neue Job in einem anderen Theater suchen oder frei als Assistentin arbeiten.

Also ging es im neuen Jahr in Magdeburg erstmal weiter wie bisher, ein stetiges Auf und Ab.

Im Januar startete ich in Magdeburg also erst einmal als Souffleuse in „Die Kleinbürgerhochzeit“. Ich mochte das Team sehr, aber es ergaben sich leider Schwierigkeiten die dazu führten, dass die Regisseurin sich entschied, die Regie abzugeben.

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Foto: ©Nilz Böhme

Im ersten Quartal bekam ich aus heiterem Himmel ein Jobangebot von einem Arbeitgeber, für den ich vor vielen Jahren gearbeitet hatte.
Ich habe vor Freude geheult aber ich wusste sofort, dass ich das natürlich nicht annehmen kann. Für mich führt kein Weg zurück in den alten Job, auch nicht wenn der Arbeitgeber VW heißt und ich n Arsch voll Geld verdienen würde.

Danach ging es mit „Clockwork Orange“ weiter.
Auch wenn ich auf der persönlichen Ebene große Probleme mit der Schauspieldirektorin habe, es war sehr interessant und lehrreich, sie bei der Arbeit zu beobachten.

In der kommenden Produktion durfte ich wieder als Regieassistentin arbeiten. „Zeit der Kannibalen“ in der Regie von Dominic Friedel war eine wirklich tolle Erfahrung. Dominic und ich und haben sehr eng zusammen gearbeitet und so fühlte ich mich zum ersten Mal so richtig Teil des Teams. Das hat mich bestärkt, dass ich auf dem richtigen Weg bin und einen guten Job mache, und mir viel Kraft gegeben.



Nachdem ich monatelang von Zwischenmiete zu Zwischenmiete gezogen bin hatte ich jetzt zum 1. Mai eeeendlich eine eigene Wohnung und sogar nur 1 Minute vom Theater entfernt. Nie wieder zu spät zur Dispo !!! :)

Nun ging es auch schon in die Vorproben für die neue Spielzeit, ich war als Souffleuse bei „Die Ratten“.
Zuerst war ich stinksauer. Aber dann dachte ich mir, ist doch super.... du bist die ganze Zeit dabei, bekommst alles mit aber hast den Orgahut nicht auf.
Aber ich stellte fest, dass ich so gut wie gar nix mehr mitbekam, da ich permanent am Text und am Schauspieler geklebt habe. Es war durch den berlinerisch klingenden Phantasiedialekt ein sehr schwerer Text und ich musste hoch konzentriert sein.



Den Großteil der Sommerpause verbrachte ich beim
Yiddish Summer Weimar
. Ich war quasi die Herbergsmutti in der OMA. Eine tolle Zeit aber auch sehr anstrengend. Ich habe viele wunderbare Menschen kennengelernt und das tolle Feedback bekommen, dass ich in der OMA eine wohlige und sichere Atmosphäre verbreitet habe.
Überschattet wurde der Sommer allerdings von einer Operation die mich sehr mitgenommen hatte.

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Foto: ©Yulia Kabakova
Im August startete die neue Spielzeit und ich war zweite Regieassistentin in „Sommernachtstraum – Das Musical“ in der Regie von unserer Schauspieldirektorin.
Ich hatte zwar mit Nachdruck darum gebeten, in dieser Produktion eingesetzt zu werden, aber im Laufe der Zeit wurde ich immer unzufriedener. Mir gefiel die Arbeitsweise nicht und ich verstand sie auch nicht und keiner konnte oder wollte mir erklären, was da eigentlich vor sich geht. Dann fiel die Souffleuse aus und ich musste einspringen. Und so bekam ich noch weniger mit, was wie warum und wohin das ganze geht.
Egal... Augen zu und durch …

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Foto: ©Nilz Böhme

Eine neue Spielzeit bedeutete in meiner Welt auch, dass ich vielleicht eine neue Chance für ein Sprungbrett bekomme. Ich hatte bereits einige Stücke gelesen und eines gefunden, das ich gerne inszenieren wollte.
Am 22. August startete die Spielzeit.
Am 7. September bekam ich endlich meinen Termin beim leitende Dramaturgen und ich ging gut vorbereitet mit meinem Material zu ihm um ihn für das Stück zu begeistern.
Als ich dann erfuhrt, dass ich diese Spielzeit nicht inszenieren darf und auch die Regieassistenz bei Milan Peschel nicht machen darf, brach für mich eine Welt zusammen.

Nichts, was ich im letzen Jahr hier am Theater geleistet habe hatte es auf meine Waagschale für die neue Spielzeit geschafft.

Erst war ich geschockt, dann sprudelte es aus mir heraus und zeitweise verlor ich auch meine Fassung. Aber dennoch blieb das Gespräch trotz allem auf beiden Seiten respektvoll.
Losgelöst von seiner Leitungsfunktion, bot er mir an, uns regelmäßig zu treffen und mich dabei zu unterrichten. Wir könnten auch sogar mein Stück bearbeiten, als würde ich es inszenieren wollen.
Ich war traurig und wütend ... aber auch sehr dankbar für dieses Angebot.

Am 8. September bin ich nach Hannover gefahren.
Ich war traurig, wütend, ratlos, …
Ich versank in Selbstzweifel und Angst und bin ziemlich schnell sehr tief gefallen und verdammt hart aufgeknallt.
Das hatte ich seit Jahren so nicht mehr erlebt.
Am Sonntag konnte ich nicht zurück nach Magdeburg fahren.
Am Montag auch nicht, meine Hausärztin schrieb mich den Rest der Woche arbeitsunfähig.
Nach ein paar Tagen hatte ich das schlimmste überstanden, aber ich war so unglaublich erschöpft und ich war ratlos.
Ab 17. September ging ich wieder zur Arbeit.
Ich war erschöpft aber ich versuchte erstmal weiter meinen Job zu machen.
Aber es fiel mir immer schwerer und schwerer, ich konnte mich immer weniger konzentrieren und fühlte mich kaum noch in der Lage, klare Gedanken zu formulieren.

Ich brauchte Antworten und ging noch einen Schritt weiter zurück und versuchte mit mehr Abstand und weniger emotional meine Situation zu betrachten.

Es fühlt sich an wie mein altes Leben, aber das ist es nicht.
Was genau ist es, was mich an das alte Leben erinnert oder was macht mir das neue Leben so schwer?
Die Depressionen sind es nicht, wir leben seit Jahren in friedlicher Koexistenz.
Es muss also etwas anderes sein...

Irgentwann kam ich zu der schmerzvollen Erkenntnis, dass ich einfach verdammt unbequem bin als Schülerin, Auszubildende, Mitarbeiterin und ich damit so manchen Lehrer, Ausbilder, Vorgesetzten in den Wahnsinn getrieben habe.

Ich bin zwar ein äußerst kreatives Arbeitstier und kann aus dem Nichts heraus Lösungen für alles Mögliche zaubern, kann 12 Stunden und mehr pro Tag arbeiten, kann mich voll in die Sache reinschmeißen wenn …. ja, wenn ich das in meinem Rhythmus machen kann und nicht durch irgentwelche Regeln eingeschränkt werde.
Immer, wenn ich als „Feuerwehr“ irgentwo eingesetzt wurde um den Karren aus dem Dreck zu ziehen konnte ich schalten und walten wie ich wollte und Strukturen umgehen, rettete das Projekt und wurde gefeiert.
Wenn es dann lief, dann musste auch ich mich an den Strukturen orientieren und dann gingen die Probleme los. Ich fühlte mich unverstanden, gemobbt, baute ab, fiel in eine Depression, verlor den Job durch Aufhebungsvertrag und so weiter und so fort …

Ich bin also selber das Probem, ich passe einfach nicht in das System, und das war schon imer so.

Ich weiß gerade gar nicht mehr so genau warum ich nach ADHS googelte, aber ich fand eine Menge Infos und hatte das Gefühl mich darin wiederzuerkennen.
Ich las Lebensgeschichten von Betroffenen und es war unheimlich, wie sehr mich das alles an mein Leben erinnerte.
Ein unfassbar großen Wiedererkennungseffekt hatte ein Video von einem ADHS Coach: Die 7 Lebensphasen von Menschen mit ADHS:



Ich war mir verdammt sicher, dass ich dieses ADHS habe und diese Erkenntnis war eine unbeschreibliche Erleichterung.
Wie im Zeitraffer tauchten immer mehr Bilder aus der Vergangenheit auf und mit jedem Bild wurde alles immer klarer, es ergab plötzlich alles einen Sinn.
Dass war wie ein krasser Erkenntnisflow, bäm bäm bäm ....
Wie eine Art Rausch hat sich das angefühlt, das war der Wahnsinn...!

Ich musste leider auch feststellen, dass ich mich in einem Arbeitsfeld befinde, dass für Menschen mit diesem Störungsbild eine ziemlich krasse Herausforderung darstellt.
Aber man kann lernen, damit umzugehen.
Ich kann lernen, mich besser zu strukturieren und mit Ritalin funktioniert mein Reizfilter und dann kann ich mich viel besser konzentrieren und den Überblick behalten, so dass ich diesen Job weiter machen kann.
Aber dafür brauche ich Hilfe und die bekomme ich erst, wenn ich eine offizielle Diagnose habe.
Also habe ich nach Möglichkeiten für eine Diagnostik gesucht aber überall gab es Wartezeiten von einem dreiviertel Jahr oder länger.
Aber so lange konnte ich nicht warten.
Ich ging auf dem Zahnfleisch und wollte nach dem Sommer wieder fit sein um in einem neuen Theater zu arbeiten.
Ich versuchte so gut wie möglich in Magdeburg weiter zu arbeiten und recherchierte nebenbei. Endlich fand ich eine passende Klinik, und informierte meine Hausärztin.
Am 8. Oktober hatte ich bei ihr einen Termin, sie stellte mir die Überweisungspapiere aus und ich fuhr noch einmal wieder zurück nach Magdeburg um irgentwie die Enprobenwoche durchzustehen.
Am 15. Oktober hatte ich das Vorgespräch in der Klinik und am 30. Oktober bin ich aufgenommen worden.
Ich dachte, ich durchlaufe die Diagnostik, bekomme Ritalin und kann dann nach 2 Wochen wieder nach Hause um mit der Ergotherapie anzufangen.
Naja, ich war dann 5 Wochen dort und das war auch gut so.
Neben der Erleichterung, dass ich nun viel besser verstehe, warum vieles in meinem Leben so verlaufen ist, wie es eben ist, hatte ich ganz verdrängt dass mich das vergangene Jahr doch ziemlich geschwächt hatte. Der Akku war leer und mein Schutzschild war runtergekloppt.
Die Diagnostik ergab ein eindeutiges Ergebnis, ich startete mit Ritalin und es wirkte.

Am 5. Dezember wurde ich arbeitsunfähig entlassen und seit dem bin ich dabei, die nächste Schritte zu planen.
Im Januar werde ich mit einem ADHS-Training beginnen.
Meinen Vorgesetzten habe ich bereits darüber informiert, dass ich für die erste Runde ab Januar nicht wieder kommen kann, was danach ist, wird die Zeit zeigen.


Was war noch in 2018:

Im März habe ich einen ganz wundervollen Menschen kennengelernt.
Ich habe keine Worte, um das was wir haben zu beschreiben, aber ich bin sehr dankbar dafür.
Es ist ein großes Geschenk, wenn zwei Menschen sich so verbunden fühlen, dass jeder frei ist, seinen eigenen Weg zu gehen und doch auch am Weg des anderen teilhaben und wachsen kann.
Ich weiß nicht, wie ich dieses Jahr überstanden hätte, wenn wir uns nicht begegnet wären.
Aber das ist ja auch nicht wichtig, denn es ist, wie es ist :)

Im Juni war die Abschluss-Show der BBA13.
Es war eine schöne Show und ich habe mich sehr gefreut, die Entwicklung meiner ehemaligen Clownsfreunde zu sehen, ich war richtig stolz auf sie!
Aber ich war auch traurig und es ist so manche Träne geflossen aber ich bin sehr froh, dass ich hingefahren bin, und so für mich noch einmal Abschied nehmen und loslassen konnte.




Ich habe entdeckt, dass Meditation für mich ein gutes Werkzeug ist, um die vielen Radiosender in meinem Kopf zur Ruhe zu bringen und versuche jetzt, regelmäßig eine Meditationsgruppe im buddhistischen Bund zu besuchen. Zu Hause bekomme ich das irgentwie nicht hin, regelmäßig alleine zu sitzen.
Habt ihr schon meinen Blogeintrag zur Thema Vergänglichkeit gelesen?
https://nochnblog.blogger.de/stories/2708370/

Ich war zum ersten Mal bei einem Yogakurs, mehr aus Versehen, weil ich dachte, ich gehe „nur“ zu einer Gong Meditation . Ich dachte immer Yoga wäre irgenteine alberne Tussisgymnastik, aber weit gefehlt. Also jedenfalls bin ich jetzt infiziert und muss unbedingt einen Kundalini Yoga Kurs besuchen.
Wer mal so eine GongMeditation besuchen möchte, der wende sich vertrauensvoll an Kosta https://www.yogabande.de/gongline/

Ich bin in 2018 so oft an meine Grenzen gekommen und habe viele Grenzen überschritten.
Ich habe so viel gelernt, so viel erfahren, so viele wunderbare Begegnungen gehabt.

Eine Bekannte hat sehr schöne Worte gefunden, die ich hier gerne wiederholen möchte:
„Ich liebe mein Leben und verliebe mich täglich aufs Neue.“


Ich bin stolz auf mich und verdammt gespannt auf 2019 ff.